Humeruskopffraktur: Informationen & Spezialisten

28.02.2022
Univ. Prof. Dr. Peter Biberthaler
Medizinischer Fachautor

Bei einer Humeruskopffraktur handelt es sich um eine knöcherne Verletzung des Oberarmkopfes. Sie geht mit Schmerzen, Schwellungen und Blutergüssen in Oberarm und Schulter sowie einer eingeschränkten Funktionalität einher. Da bei einer Humeruskopffraktur unterschiedliche Bereiche des Oberarmkopfes betroffen sein können, variieren die Behandlungsmethoden. Die Diagnose einer Humeruskopffraktur erfolgt in der Regel durch eine Röntgenaufnahme. Hier finden Sie weiterführende Informationen sowie ausgewählte Spezialisten und Zentren für eine Humeruskopffraktur.

ICD-Codes für diese Krankheit: S42.21

Empfohlene Spezialisten für Humeruskopffrakturen

Artikelübersicht

Definition, Häufigkeit und Ursachen einer Humeruskopffraktur

Als Humeruskopffrakturen werden knöcherne Verletzungen des Oberarmkopfes bezeichnet. Diese Art der Verletzung tritt vor allem nach Stürzen auf den gestreckten Arm und auf die Schulter auf.

Sie macht circa 4 bis 5 Prozent aller Frakturen aus. Zudem ist die Humeruskopffraktur mit einem Anteil von 47 Prozent die am häufigsten auftretende Fraktur am Schultergürtel.

Risikofaktoren für Humeruskopffrakturen sind ein fortgeschrittenes Alter sowie das Vorhandensein von Osteoporose. Da die Bevölkerung immer älter wird und damit die Häufigkeit von Osteoporose zunimmt, steigt auch die Anzahl von Oberarmkopfbrüchen kontinuierlich.

Frauen sind durchschnittlich 2- bis 3-mal häufiger betroffen als Männer.

Anatomie des Oberarms

Der Oberarm bildet mit der Schulterpfanne den wesentlichen, beweglichen Teil des Schultergelenks aus.

Dabei ist der Knochen des Oberarmkopfes wesentlich größer als die Schultergelenkpfanne. Das ermöglicht die größtmögliche Beweglichkeit im Schultergelenk. Dadurch bietet das Gelenk jedoch keine so große Festigkeit wie etwa was Hüftgelenk, bei dem der Hüftkopf fast komplett von der Hüftgelenkpfanne umfasst ist.

Das Schultergelenk wird daher hauptsächlich von den angewachsenen Weichteilen, also

  • Sehnen,
  • Muskeln und
  • Bändern

stabilisiert. Dieses Wissen ist ganz wesentlich für das Verständnis der nachfolgenden Beschreibungen von Humeruskopffrakturen (Oberarmkopfbrüchen) und deren Therapien.

Die nachfolgende Grafik zeigt die Grundlagen der Anatomie stark vereinfacht:

Oberarm Anatomie

  1. Oberarmkopf/Tuberculum majus
  2. Oberarmkopf: Gelenkknorpel
  3. Schultergelenkpfanne
  4. Schlüsselbein
  5. Schulterdach
  6. Oberarmschaft
  7. Schultereckgelenk

Bei einem Unfall können verschiedene Strukturen des Oberarmkopfes verletzt werden. Diese Verletzungen unterscheiden sich erheblich in ihrer Diagnostik, ihrer Therapie und ihrem langfristigen Ergebnis. Daher ist es nicht möglich, alle Humeruskopffrakturen gemeinsam zu betrachten.

Unterschiedliche Typen des Oberarmkopfbruches

In Abhängigkeit von

  • der Anzahl der beim Oberarmkopfbruch entstandenen Fragmente,
  • des Ausmaßes der Fragmentverschiebung und
  • der Höhe des Frakturverlaufs

wird die Verletzung in unterschiedliche Typen eingeteilt. Bei ihnen kommen jeweils unterschiedliche Verfahren zur Behandlung infrage.

Man unterscheidet Typ-0-Frakturen als nicht verschobene „Einteil-Fraktur“ von Typ-A-Frakturen. Letztere sind Zweifragmentfrakturen mit Abriss des großen Rollhügels (Tuberculum majus) oder des kleinen Rollügels (Tuberculum minus).

Des Weiteren gibt es Typ-B-Frakturen, die im chirurgischen Hals verlaufen und 2 bis 4 Frakturfragmente aufweisen können. Typ-C-Frakturen verlaufen im anatomischen Hals. Auch hier können sich 2 bis 4 Frakturfragmente finden.

Unter Typ-X-Frakturen verstehen wir die vordere oder hintere Luxationsfraktur (Ausrenkung des Schultergelenkes mit begleitendem Knochenbruch). Nach der Schultergelenksreposition (Wiedereinrenkung) erfolgt die Einteilung dieser Fraktur zusätzlich gemäß Typ A bis C.

Außerdem grenzen wir die Kopfkalottentrümmerfrakturen (so genanntes Head-Splitting und Impressionsfrakturen) ab.

Symptome einer Humeruskopffraktur

Das Hauptsymptom bei einer Humeruskopffraktor ist der Schmerz sowie die eingeschränkte Funktionalität und Beweglichkeit.

Bei einem Oberarmkopfbruch hält der Betroffene den Oberarm in einer Schonhaltung, um Schmerzen zu minimieren. Meistens tritt eine mehr oder weniger stark ausgeprägte Schwellung des Schultergelenks auf.

Es folgt das Auftreten eines Blutergusses (Hämatom) im Bereich der betroffenen Schulter. Eine Ausbreitung des Hämatoms bis zum Ellbogen ist möglich.

Diagnose eines Oberarmkopfbruchs

Die Bestätigung des Verdachts auf eine Humeruskopffraktur wird durch eine Röntgenaufnahme ermöglicht.

Als weiterführende Untersuchung bei komplexen Brüchen des Oberarmkopfes dient die Computertomographie (CT). Eine CT-Untersuchung hilft auch bei der Entscheidung, ob eine operative Versorgung der Humeruskopffraktur notwendig ist oder nicht.

Osteoporose
Verschiedene Stadien einer Osteoporose, bei der die Knochendichte abnimmt © crevis | AdobeStock

Behandlung einer Humeruskopffraktur

Ziel der Behandlung ist das schmerzfreie Erhalten des freien Bewegungsausmaßes des Schultergelenkes in Abhängigkeit vom Alter und Funktionsanspruch des Patienten.

So ist das Behandlungskonzept individuell den Ansprüchen des Patienten anzupassen.

Behandlungsprinzipien bei einem Bruch des Oberarmkopfes (Humeruskopffraktur)

60 bis 85 Prozent der Oberarmkopffrakturen sind Typ-0-Frakturen. Die nichtverschobene, oder nur gering verschobene Oberarmkopffraktur (Typ-0-Fraktur) wird nicht operiert.

Dieser Frakturtyp wird durch die Knochenhaut, die Gelenkkapsel und die Muskulatur „geschient“. Daher reicht eine Ruhigstellung im Schlauchverband für 7 bis 14 Tage bis zum Nachlassen der Schmerzen aus.

Wichtig ist eine frühfunktionelle Übungsbehandlung, um ein Einsteifen des Schultergelenkes zu verhindern. Nach etwa 6 bis 8 Wochen ist der Knochenbruch wieder fest durchbaut.

Künstlicher Gelenkersatz

Bei den Frakturtypen A bis C, Typ-X sowie bei Oberarmkopftrümmerfrakturen entstehen

  • starke Fehlstellungen,
  • Bewegungseinschränkungen und
  • Schmerzen.

Um den ursprünglichen Zustand des Oberarmkopfes möglichst wiederherzustellen, ist eine Operation notwendig. Hierbei werden unterschiedliche Materialien zur Stabilisierung des Knochenbruches in Abhängigkeit vom Frakturtyp verwendet. So kann eine Fraktur mittels

  • Drähten,
  • Schrauben oder
  • Platten

stabilisiert werden.

In manchen Fällen ist auch ein Oberarmkopfersatz durch eine Schulterprothese (künstlicher Gelenkersatz) ratsam. Voraussetzung dafür ist, dass

  • durch die Schwere der Verletzung keine schultergelenkfunktionserhaltende Operation möglich ist, oder
  • die versorgenden Gefäße des Oberarmkopfes zerstört sind, sodass die Wahrscheinlichkeit des Absterbens des Oberarmkopfes sehr hoch ist.

In den letzten Jahren wurden für diese Art des Gelenkersatzes spezielle Frakturprothesen entwickelt. Sie lassen sich individuell auf die Fraktur abstimmen.

So ist der Prothesenkopf höhenverschiebbar, um eventuelle frakturbedingte Höhenverluste auszugleichen. Des Weiteren besitzt die Frakturprothese besondere Eigenschaften, um die abgerissenen Rollhügel (Tub. majus und minus) an der Prothese in anatomischer Position zu refixieren. Dies ist wichtig, da an den Rollhügeln die Sehnen der Rotatorenmanschette ansetzen.

Eine Sonderstellung nimmt die Oberarmkalottentrümmerfraktur ein. Wird bei dieser Fraktur mehr als 40 Prozent der Gelenkfläche zerstört, ist auch hier der Gelenkflächenersatz mittels Oberarmkopfprothese angezeigt.

Schulterprothese
In manchen Fällen kommt eine Schulterprothese zum Einsatz © bilderzwerg | AdobeStock

Behandlung der unterschiedlichen Arten von Humeruskopffrakturen

Ein Problem von Brüchen im Schulterbereich stellt das rasche Einsteifen der Schulter dar. Daher sollte bei einem Oberarmkopfbruch eine längere Ruhigstellung im Gips oder Verband unterbleiben.

Die Behandlung der unterschiedlichen Brüche des Oberarmkopfes fällt je nach Typ sehr unterschiedlich aus. Daher werden im Folgenden die einzelnen Oberarmkopfbrüche und deren Behandlung besprochen.

Humeruskopffraktur mit Tuberculum majus Abrissfraktur

Bei der Humeruskopffraktur mit Tuberculum majus-Abriss kommt es zum Absprengen des großen Knochenvorsprunges, an dem die Rotatorenmanschette angewachsen ist.

Der Unfallmechanismus ist meist ein direktes Anpralltrauma oder eine Ausrenkung (Luxation) der Schulter. Dabei bleibt dann typischerweise der abgesprengte Teil des Tuberculum stehen (siehe Abbildung 1).

Nach der Wiedereinrenkung der Schulter legt sich der Knochen entweder gut an seine ursprüngliche Stelle an, oder er befindet sich weiter in Fehlstellung (siehe Abbildung 2).

Humeruskopffraktur 1

Im letzteren Fall ist eine kleine Operation notwendig. Dabei wird das Knochenfragment wieder an seinen ursprünglichen Platz gebracht. Mittels Schrauben oder starken Fäden wird es so lange fixiert, bis es wieder angeheilt ist. Das dauert in der Regel rund sechs Wochen.

Die Nachbehandlung sieht für diese Zeit geführte Bewegungen ohne eigene Kraftentwicklung vor. Dann kann eine Abschlussröntgenkontrolle den Erfolg des Einheilens dokumentieren.

Im Anschluss ist ein aktiver Muskel- und Bewegungsaufbau notwendig.

Subkapitale Humeruskopffraktur

Unter einer subkapitalen Humeruskopffraktur versteht man einen Bruch, der durch die komplette Zirkumferenz (Umfang) des Oberarmkopfes läuft. Die roten Linien in der untenstehenden Grafik verdeutlichen die unterschiedlichen Bruchlinien, die durch den Oberarmkopf laufen können.

Subkapitale Humeruskopffraktur

Diese Verletzungen werden im allgemeinen Sprachgebrauch meist als Humeruskopffraktur bzw. Oberarmkopfbruch bezeichnet.

Die Behandlung dieser Verletzungen richtet sich nach dem Ausmaß der Verschiebung der Knochenfragmente.

Sind die Knochenfragmente nur gering verschoben, kann die Therapie ohne Operation erfolgen. In diesem Fall genügt eine Ruhigstellung im Gilchrist-Verband für 3 Wochen. Danach folgt Krankengymnastik mit geführten Bewegungen aus dem Verband heraus für 6 Wochen. Diese Therapie wird auch „konservativ“ genannt, weil keine Operation erfolgt. 

Humeruskopffraktur 2

Der Heilungsverlauf muss in regelmäßigen Abständen mittels Röntgenbild kontrolliert werden. Brüche können sich während dieser Zeit verschieben. Dies ist im folgenden Beispiel gezeigt:

Humeruskopffraktur 3

Humeruskopf-Trümmerfraktur (Head-split-Fraktur)

Manchmal ist der Oberarmkopf so zertrümmert, dass die Durchblutung der einzelnen Knochenstücke zerstört ist. Dann kann der Knochen nicht mehr heilen und muss durch ein künstliches Gelenk ersetzt werden.

Humeruskopffraktur 4

Ob der Oberarmkopf nach einer Humeruskopf-Trümmerfraktur noch gerettet werden kann, hängt von einer Reihe von Faktoren ab. Die Grundlage der Knochenheilung ist eine ausreichende Blutversorgung der Knochenfragmente. Ohne Blut erfolgt keine Heilung. Somit wird die Entscheidung ganz wesentlich von allen Faktoren beeinflusst, die die Durchblutung betreffen.

Ein weiterer wesentlicher Faktor ist der Grad der Osteoporose. Dieser Knochenschwund führt dazu, dass der Knochen im Inneren dünner wird und weniger Last tragen kann. Somit ist die Verankerung von Schrauben in stark osteoporotischem Knochen auch erheblich erschwert.

Die Entscheidung, ob der Oberarmkopf erhalten werden kann oder ersetzt werden muss, ergibt sich auch aus den folgenden Faktoren:

  • Das Alter des Patienten, da der Grad der Osteoporose davon stark beeinflusst ist
  • Der generelle Gesundheitszustand des Patienten
  • Starke Raucher haben schon von vorneherein eine schlechtere Durchblutung.
  • Chronische Krankheiten wie Dialyse, Kortison-Therapie und Diabetes verschlechtern den Blutfluss.

Bei sorgfältiger Abwägung kann man bei jungen, gesunden und sportlichen Patienten die Rekonstruktion versuchen. Dennoch besteht dabei ein höheres Risiko, dass die Rekonstruktion nicht erfolgreich ist und doch eine Prothese notwendig ist. Dieses Risikos müssen sich die Patienten bewusst sein.

Gelingt der Eingriff, kann das Gelenk wieder genesen.

Humeruskopffraktur 5

Die Operationstechnik bei Oberarmkopfbrüchen hat sich in den letzten Jahren durch neue sogenannte winkelstabile Implantate revolutionär verbessert. Dadurch ist man heute in der Lage, auch schwerste Brüche wieder zu rekonstruieren und ohne künstliches Gelenk zu versorgen. Entscheidend ist dabei die Erfahrung des Operateurs.

Nachbehandlung bei einem Bruch des Oberarmkopfes (Humeruskopffraktur)

Die Nachbehandlung ist individuell durchzuführen. Auch

  • die Dauer der Arbeitsunfähigkeit und
  • der Zeitpunkt der Wiederaufnahme des sportspezifischen Trainings

ist von der Verletzung und vom gewählten Operationsverfahren abhängig.

Heilungschancen bei Humeruskopffrakturen

Die Prognose von Oberarmkopfbrüchen hängt vor allem von deren Komplexität ab. Mit steigender Anzahl der Fragmente sinkt die Wahrscheinlichkeit, die Funktion der Schulter wieder vollständig herstellen zu können.

Weitere maßgebliche Faktoren für die Heilungschancen bei einem Oberarmkopfbruch sind

  • einerseits das Alter der Patienten,
  • andererseits bereits bestehende, abnützungsbedingte, knöcherne oder muskuläre Einschränkungen.

Risiken einer Operation bei Humeruskopffrakturen (Oberarmkopfbrüchen)

Die Risiken der Operation sind:

  • Infektionsgefahr und Wundheilungsstörungen
  • Nervenläsionen
  • das Ausbleiben der Knochenheilung mit Ausbildung eines Falschgelenks
  • Implantatversagen (Bruch einer Schraube oder Platte)
  • Funktionseinschränkung der Schulter

Fazit zur Humeruskopffraktur

Zusammengefasst lässt sich zur Humeruskopffraktur festhalten, dass die Anzahl dieser Verletzung in den letzten Jahren deutlich zugenommen hat. Die Therapie einer Humeruskopffraktur hängt vom Grad der Verschiebung und vom Gesundheitszustand des Patienten ab.

Bei einer Operation sollte die Klinik möglichst viel Erfahrung mit Fällen dieser Art haben. Der Erfolg der Behandlung hängt erheblich vom operativen Verfahren ab.

Bilder: Radiologisches Bildmaterial wurde freundlicherweise zur Verfügung gestellt von Herrn Dr. Stefan Wirth.
Grafiken: von Frau Hella Thun

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