Spinale Muskelatrophie - Medizinische Experten

19.10.2023
Dr. med. Cornelia Bußmann
Medizinische Fachautorin

Patienten mit einer „Spinale Muskelatrophie“ (SMA) leiden unter Muskelschwäche und Muskelschwund. Der Grund ist ein fortschreitender Untergang von Nervenzellen im Rückenmark (‚spinal‘). Im Kindesalter wird die Spinale Muskelatrophie in drei Typen mit unterschiedlichen Krankheitsverläufen unterteilt (SMA Typ I, SMA Typ II, SMA Typ III).

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ICD-Codes für diese Krankheit: G12

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Artikelübersicht

Was ist eine spinale Muskelatrophie

Die spinale Muskelatrophie (SMA) ist die zweithäufigste, rezessiv vererbte Erkrankung. Auf etwa 6.000 Neugeborene kommt ein erkranktes Kind. Es sind gleich viele Jungen wie Mädchen betroffen. 

Jede 35. bis 40. Person in der Bevölkerung ist Anlageträger für die SMA. Diese Personen haben keine Symptome, da sie neben dem defekten Gen noch ein zweites intaktes haben. Dieses intakte Gen gleicht den Defekt aus.

Wenn beide Elternteile dieses Gen in sich tragen und es an ihr Kind weitergeben, erkrankt es an der SMA. Das Risiko liegt bei 25 Prozent.

Bei der spinalen Muskelatrophie kommt es zu einem Rückgang der motorischen Vorderhornzellen im Rückenmark. Wenn diese Zellen im Rückenmark nicht mehr funktionstüchtig sind, funktionieren auch die Muskeln nicht mehr richtig. Das führt zu einer fortschreitenden Muskelschwäche und zum Muskelschwund.

SMA-Patientin bei Laptop-TastaturPatienten mit SMA leiden unter Muskelschwund, der verschiedene Schweregrade haben kann @ Framestock /AdobeStock

Symptomatik der unterschiedlichen SMA-Typen

Die unterschiedlichen Typen der spinalen Muskelatrophie unterscheiden sich primär durch das Alter bei Erkrankungsbeginn:

  • SMA Typ I

50 bis 60 Prozent der SMA-Patienten leiden an der schweren infantilen Form der SMA (SMA Typ I). Bei dieser Form treten die ersten Symptome bereits in den ersten Lebensmonaten auf. Teilweise schon in den ersten Lebenswochen. Die Kinder können in der Regel den Kopf nicht anheben und sie werden nie frei sitzen können. Die meisten sterben ohne Therapie im ersten Lebensjahr oder vor dem 2. Lebensjahr. Der Grund ist ein Versagen der Atemmuskulatur.

  • SMA Typ II

Der Erkrankungsbeginn bei der intermediären Form (SMA Typ II) ist später. Die Kinder lernen frei zu sitzenaber nicht zu laufen. Meistens stellen Ärzte die Diagnose zu Beginn des zweiten Lebensjahres.

  • SMA Typ III

Kinder mit einer juvenilen Form (SMA Typ III) zeigen ein sehr variables Bild des Muskelschwunds. Sie erlernen zunächst das freie Laufenverlieren einen Teil der motorischen Fähigkeiten aber wieder. Aufgrund des sehr variablen Verlaufs unterteilen Spezialisten die juvenile Form zwischenzeitlich in 2 weitere Untergruppen: Typ IIIa mit Beginn der Symptome vor dem 3. Lebensjahr und Typ IIIb mit Beginn der Symptome erst nach dem 3. Lebensjahr.

Diagnose der spinalen Muskelatrophie

Der erste Verdacht auf SMA kommt dann auf, wenn ein Baby oder ein Kleinkind bestimmte Entwicklungsschritte nicht erreicht. Besonders bei Typ I und Typ II funktionieren die Muskelreflexe nicht richtig und reagieren nicht so, wie sie sollten. Manche Patienten haben auch ein leichtes Zittern in der Zunge. Um die Vermutung sicherzustellen, machen Ärzte einen genetischen Test (SMN1-Gen).

Therapie von SMA-Patienten

Seit Juli 2017 ist ein Wirkstoff zugelassen, der die Ursache der Erkrankung behandelt. Der Wirkstoff heißt Nusinersen. Nusinersen gleicht den Gendefekt annähernd aus. Die Rückenmarkszellen sind dadurch in der Lage, ein funktionsfähiges SMN-Protein herzustellen.

Nachteil dieser Therapie ist, dass Ärzte den Wirkstoff nur über die Rückenmarksflüssigkeit verabreichen können. Dafür braucht es eine Lumbalpunktion.

Klinische Studien zeigen, dass der Einsatz von Nusinersen die motorischen Fähigkeiten signifikant verbessert. Nusinersen ermöglicht Säuglingen und Kleinkindern das Sitzen, Krabbeln, Stehen und Laufen. Vorher - ohne Nusinersen - wären sie gestorben oder hätten sich nie selbst bewegen können. Das neue Medikament gibt SMA-Patienten und deren Angehörigen Anlass zur Hoffnung.

Zuvor war die Therapie von SMA-Patienten nur symptomatisch möglich. Vor allem bei der frühen SMA-Form war das Überleben nur mit Dauerbeatmung möglich. 

Spezialisten für die Behandlung von SMA sind:

Die Therapie umfasst vor allem Physiotherapie und Atemtherapie. Zusätzlich müssen Ärzte die Hilfsmittelversorgungimmer wieder anpassen. Eine internationale Expertengruppe hat eine detaillierte Richtlinie für Behandlungsstandards bei spinaler Muskelatrophie verfasst (www.treat-nmd.de).

Prognose für Patienten mit spinaler Muskelatrophie

Die Prognose für Patienten mit einer spinalen Muskelatrophie hängt stark davon ab, an welchem Typ die Kinder erkrankt sind:

  • Bisher hatten die meisten Kinder mit einer SMA Typ I nur eine kurze Lebenserwartung (Monate – 2 Jahre)
  • Kinder mit einer SMA-Typ II konnten - mit erheblichen Beeinträchtigungen - auch das Erwachsenenalter erreichen. 
  • Bei einer SMA Typ III ist die Lebenserwartung meist normal, jedoch abhängig vom Verlauf der Muskelschwäche.
SMA im ErwachsenenalterMit Erreichen des Erwachsenenalters verläuft die Erkrankung zwar weiterhin zunehmend, aber in der Regel langsamer @ sofiko14 /AdobeStock

Bisher können Ärzte noch keine Vorhersagen machen, wie sich Nusinersen auf die Lebenserwartung von SMA-Patienten auswirkt. Dafür ist das Medikament noch nicht lange genug auf dem Markt. 

Studienergebnisse zeigen aber, dass der Verlauf mit Nusinersen umso besser ist, je früher Patienten mit der Behandlung beginnen.

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