Nervenkompressionssyndrom: Spezialisten und Informationen

27.06.2023
Dr. med. Michael Pelzer
Medizinischer Fachautor

Eine Nervenkompression bezeichnet die Einengung eines Nerven. Sie tritt häufig an Engstellen auf, durch die der betroffene Nerv verläuft. Es gibt viele unterschiedliche Nervenkompressionssyndrome, die sich auch in ihrer Behandlung unterscheiden. Wird eine Operation durchgeführt, erfolgt diese in der Regel in Lokalanästhesie. Eine Vollnarkose ist für diese Eingriffe nur bei sehr ängstlichen Patienten erforderlich.

Hier finden Sie weiterführende Informationen zu Nervenkompressionssyndrome der Hand sowie ausgewählte Spezialisten und Zentren.

ICD-Codes für diese Krankheit: G55, G56, G57, G58

Empfohlene Spezialisten für Nervenkompressionssyndrome

Artikelübersicht

Was sind Nervenkompressionssyndrome?

Nerven sind

  • einerseits für die Übermittlung von Befehlen vom Gehirn an die Muskeln zuständig,
  • andererseits umgekehrt für die Übermittlung von sensorischen Impulsen an das Gehirn (Druck, Temperatur, ..).

Eine Schädigung oder Reizung eines Nerven zeigt sich daher in diesen Bereichen. Es kann, je nach Nerv, zu Schmerzen, Taubheitsgefühlen oder Störungen der Motorik kommen.

Eine Nervenkompression ist keine direkte Schädigung, sondern bezeichnet, dass ein Nerv eingeengt ist bzw. Druck auf ihn ausgeübt wird.

Viele Nerven durchziehen anatomische Engpässe. Unter Umständen ist die Durchtrittstelle zu schmal oder der durchziehende Nerv zu dick: Dann kann der Nerv eingeengt werden. Durch Druck auf den Nerven kommt es zu Nervenirritationen oder sogar einem Nevenkompressionssyndrom.

Nachfolgend erläutern wir einige dieser möglichen Nervenkompressionssyndrome.

Karpaltunnelsyndrom (KTS)

Das Karpaltunnelsydrom ist das bekannteste Nervenkompressionssyndrom. Es entsteht durch die Einengung des Mittelnervs (Nervus medianus) im Bereich der Beugeseite des Handgelenkes. Der Mittelnerv ist einer der drei Hauptnerven der Hand.

Etwa 10 Prozent der Erwachsenen, davon 70 Prozent Frauen, betrifft diese Krankheit.

Ursachen des Karpaltunnelsyndroms

Der Karpaltunnel ist ein tunnelförmiger, von Bindegewebe umschlossener Kanal, der auf der Innenseite des Handgelenks liegt. Durch ihn laufen die Beugesehnen und der Mittelnerv zur Hand. Im Fall des Karpaltunnelsyndroms kommt es zu einer Einengung des Nervs.

Die Ursache der Einengung ist häufig anlagebedingt, kann aber auch in

liegen.

Karpaltunnelsyndrom
Das Karpaltunnelsyndrom ist die häufigste Form eines Nervenkompressionssyndroms © Henrie | AdobeStock

Symptome des Karpaltunnelsyndroms

Typisches Erstsymptom sind nächtlich oder frühmorgens auftretende Schmerzen (Brachialgia nocturna) im Bereich

  • der Beugeseite des Daumens,
  • des Zeigefingers,
  • des Mittelfingers und
  • der speichenseitigen Hälfte des Ringfingers.

Die Beschwerden können von mild bis schwer reichen:

  • Schmerzen im Bereich des Handgelenks,
  • Gefühlsstörungen, wie Kribbeln und Taubheitsgefühle im Hohlhandbereich,
  • Muskelschwund im Bereich der Daumenballenmuskulatur bei chronischem KTS.

Die Symptomatik entwickelt sich in der Regel über einen längeren Zeitraum (Monate oder Jahre).

Behandlung des Karpaltunnelsyndroms

Das Karpaltunnelsyndrom kann bei leichteren Formen konservativ behandelt werden. Dazu reicht die Ruhigstellung des Handgelenks durch eine Schiene aus. Zur Linderung der Schmerzen werden Antiphlogistika (Diclofenac, Iboprofen) empfohlen.

Die konservative Behandlungsmethode führt selten zu einem dauerhaften Erfolg.

Carpal tunnel splint.jpg
Schiene beim Karpaltunnelsyndrom © SPUI - Eigenes Werk, Gemeinfrei, Link

Sollten die Beschwerden danach weiter bestehen, wird ein operativer Eingriff empfohlen. Bei der Operation wird das bindegewebige Dach des Kanals (Retinaculum flexorum) gespalten. Dadurch bekommt der Nerv mehr Platz und wird entlastet.

Die Operation kann mittels offener Operationstechnik oder in seltenen Fällen mittels Endoskopie durchgeführt werden. Bei der endoskopischen Methode besteht aber ein größeres Komplikationsrisiko. Daher favorisieren die meisten Handchirurgen das offene Verfahren.

Der Eingriff dauert etwa 15 bis 30 Minuten und wird in der Regel ambulant durchgeführt. Die Dauer der Arbeitsunfähigkeit beträgt je nach Tätigkeitsfeld wenige Tage bis einige Wochen. Die vollständige Belastung der Hand kann nach sechs Wochen erfolgen.

Bei einer frühzeitigen Behandlung haben die Patienten eine sehr gute Prognose. Nur bei sehr weit fortgeschrittenen Stadien, bei denen der Nerv schon deutlich geschädigt ist, kann es zu bleibenden Ausfällen kommen.

Eine Ruhigstellung nach der Operation wird heute nicht mehr empfohlen.

Loge-de-Guyon-Syndrom

Das Loge-de-Guyon-Syndrom beschreibt eine Druckerhöhung auf den Ellennerv (Nervus ulnaris) im Bereich des Handgelenks auf der Kleinfingerseite.

Symptome des Loge-de-Guyon-Syndroms

Symptome zeigen sich durch Missempfindungen im Bereich des kleinen Fingers und des Ringfingers. Auch muskuläre Schwächen beim Fingerspreizen und -Zusammenführen können auftreten.

Ursachen des Loge-de-Guyon-Syndroms

Die Guyon-Loge ist eine Engstelle, die im Handwurzelbereich zwischen dem Erbsenbein und dem Hakenbein liegt. Durch diese läuft neben dem Ellennerv auch die Arteria ulnaris (Ellenschlagader).

Die Ursache einer Verengung und dadurch entstehenden Druckerhöhung auf den Nerv ist häufig ein Überbein (Ganglion) in diesem Bereich. Außerdem kann der Engpass durch lang andauernde Kompressionen bei Beruf oder Sport (Rad- oder Motorradtouren) auftreten.

Behandlung des Loge-de-Guyon-Syndroms

Die konservative Behandlung besteht in einer Ruhigstellung durch eine Schiene. Sollte dies nicht erfolgreich sein, wird ein operativer Eingriff empfohlen. Dabei wird, wie bei der Behandlung des Karpaltunnelsyndroms, das Dach der Guyon-Loge gespalten, um dem Ellennerv mehr Platz zu bieten. Dadurch wird der Druck auf den Nerven verringert.

Die Operation wird ambulant durchgeführt und dauert etwa eine halbe Stunde. Normalerweise sollte sich der Nerv in den ersten Wochen nach der OP gut erholen.

Auch hier ist nur eine kurze Arbeitsunfähigkeit gegeben. Dennoch sollte eine Vollbelastung der Hand erst nach einigen Wochen erfolgen.

Pronator-Syndrom

Das Pronator-Syndrom entsteht durch eine Einschnürung des Mittelnervs im Bereich des Pronator-teres-Muskels. Dieser Muskel verläuft auf der Vorderseite (Beugeseite) des Unterarms, beginnend an der Unterseite des Oberarmknochens schräg über die Elle (Ulna). Er setzt im mittleren Bereich der Speiche (Radius) an. Er ist für die Einwärtsdrehung des Unterarms (Pronation) zuständig.

Symptome des Pronator-Syndroms

Der Mittelnerv läuft in einem bindegewebigen Muskelkanal durch den oben genannten Muskel. Ist dieser Kanal zu eng, kommt es zu Symptomen, wie

  • Kribbeln der Finger sowie der Hohlhand,
  • Schmerzen bei der Einwärtsdrehung des Arms
  • bis hin zu einem Rückgang der Daumenballenmuskulatur.

Ursachen des Pronator-Syndroms

Die Ursachen dieser Erkrankung hängen oft mit der individuell verstärkten Beanspruchung des Pronator-teres-Muskels zusammen, wodurch sich der Muskel vergrößert und dem Nerv nicht mehr genügend Platz bietet.

Behandlung des Pronator-Syndroms

Deswegen therapiert man nach der Diagnose zunächst konservativ, in dem man den Arm mittels einer Schiene ruhigstellt. Das reduziert die muskuläre Beanspruchung. Sollte dies nicht zum gewünschten Erfolg führen, muss ein operativer Eingriff vorgenommen werden.

Bei der Operation wird der Nerv im verengten Bereich freigelegt. Dabei vergrößert der Chirurg den Nervenkanal soweit, dass dem Nerv genügend Platz eingeräumt wird.

Der Eingriff dauert in etwa 45 Minuten und wird ambulant durchgeführt. Die Arbeitsunfähigkeit beträgt nur wenige Tage, eine Vollbelastung des Arms ist früh möglich.

Sulcus-Ulnaris-Syndrom

Beim Sulcus-Ulnaris-Syndrom handelt es sich um eine Einengung des Ellennervs. Sie manifestiert sich im Bereich der Rinne an der Ellenbogeninnenseite, auch bekannt als „Musikantenknochen“.

Symtpome des Sulcus-Ulnaris-Syndroms

Bei gesunden Menschen tritt eine Reizung des Nervs bei starken Schlägen auf diese Stelle auf. Bei einer Einengung wird der Nerv dauerhaft bei bestimmten Bewegungen des Arms gereizt.

Die Symptome können bei einer Schädigung des Nervs bis hin zu

  • Taubheitsgefühlen im kleinen Finger und im Ringfinger und
  • motorischen Störungen

gehen.

Behandlung des Sulcus-Ulnaris-Syndroms

Die Beschwerden können meist konservativ behandelt werden, indem man den betroffenen Bereich am Ellenbogen polstert. Der Bereich ist dadurch vor Reizungen geschützt und somit keinem Druck mehr ausgesetzt.

Wenn das nicht helfen sollte, wird bei einer Operation dem Nervenkanal mehr Platz verschafft.

Im Allgemeinen genügt es, den Nerv durch Spaltung des Dachs der Ellenbogenrinne zu entlasten. In manchen Fällen tritt der Nerv bei der Operation aus der Rinne heraus (Luxation), nachdem das Dach gespalten wurde. Dann sollte der Nerv in eine geschützte Position außerhalb des Kanals verlagert werden.

Die Dauer der Operation liegt bei einer halben Stunde. Sie kann entweder endoskopisch oder ambulant durchgeführt werden.

Prognose beim Sulcus-Ulnaris-Syndrom

Das unangenehme Kribbeln sollte schnell verschwinden. Wenn der Nerv durch die Einklemmung geschädigt worden ist, kann es allerdings bis zu einem Jahr dauern, bis man vollkommen schmerzfrei ist.

Im Allgemeinen ist keine Ruhigstellung erforderlich, die Arbeitsunfähigkeit ist, je nach Tätigkeit, mit bis zu zwei Wochen anzusetzen.

Supinator-Syndrom

Das Supinator-Syndrom entsteht durch eine Einengung des Speichenervs (Nervus radialis). Die Einengung tritt auf der Außenseite des Unterarms im Bereich des Supinator-Muskels auf und ist insgesamt selten.

Der Supinator ist für die Auswärtsdrehung (Supination) des Unterarms zuständig. Er hat seinen Ursprung am Oberarm und am Ellenbogengelenk und setzt am oberen Teil der Speiche (Radius) an. Er wird von einem Ast des N. Radialis durchbohrt.

Ursachen des Supinator-Syndroms

Bei einer Vergrößerung dieses Muskels (Hypertrophie) kann es zur Kompression des Nervs kommen, der durch den Muskel läuft. Manchmal sind die Ursachen der Kompressionssymptomatik aber auch nicht zu klären.

Symptome des Supinator-Syndroms

Der Ast des Speichennervs, der diesen Muskel durchbohrt, innerviert nur Streckmuskeln der Hand und keine des Unterarms. Er ist nicht für Sensibilität zuständig. Bei einer Erkrankung tritt somit nur eine Streck- und Abspreizschwäche im Daumen auf.

Auch Schmerzen können entstehen. Sie sind meist im Bereich der Außenseite des Unterarms ca. 5 cm unterhalb des Ellenbogens zu spüren. Dort liegt die verengte Durchtrittsstelle des Nervs durch den Muskel.

Behandlung des Supinator-Syndroms

Das Supinator-Syndrom kann bis auf wenige Ausnahmefälle nur operativ behoben werden. Bei einer Operation wird der Nerv in seinem Verlauf entlang des Unterarms freigelegt. Der Chirurg kann dann den Nerventunnel durch den Supinator-Muskel aufspalten und erweitern.

Die Operation wird in der Regel ambulant durchgeführt und dauert ca. 45 Minuten. Der Arm wird sofort nach der Operation bewegt, die Arbeitsunfähigkeit ist kurz.

Wartenberg-Syndrom

Auch beim sehr seltenen Wartenberg-Syndrom liegt eine Druckschädigung des Speichennervs vor.

Symptome des Wartenberg-Syndroms

Patienten klagen bei dieser Krankheit oft über Gefühlsausfälle und Schmerzen auf der Handgelenksrückseite (Streckseite). Vor allem Daumen und Zeigefinger sind betroffen.

Der Hauptschmerzpunkt liegt etwas oberhalb des Handgelenkes, wo der Nerv zwischen den Streckmuskeln durchtritt.

Ursachen des Wartenberg-Syndroms

Die Hauptursache für das Wartenberg-Syndrom sind zu enge Uhren, Armbänder oder Gipsverbände oberhalb des Handgelenks. Diese üben einen zu hohen Druck auf den Nerv aus, der schließlich zu dessen Schädigung führt.

Behandlung des Wartenberg-Syndroms

Das Wartenberg-Syndrom wird vorwiegend konservativ behandelt. Die betroffenen Stellen werden durch eine Unterarmgipsschiene geschont und den Nerv somit entlastet.

Sollte diese Behandlung nicht erfolgreich verlaufen, empfiehlt sich eine Operation. Eine Operation dieser Art dauert etwa 45 Minuten und kann ambulant durchgeführt werden.

Auch bei diesem Eingriff ist keine Ruhigstellung erforderlich. Die Arbeitsunfähigkeit ist kurz und eine Vollbelastung kann bald erfolgen.

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